Ich hab am Wochenende eine interessante Studie mit dem Titel "Measuring the Evolution of Contemporary Western Popular Music" gefunden. Die Studie wurde 2012 bei Nature veröffentlicht und hat auf jeden Fall einige interessante Ergebnisse hervorgebracht. Für alle, die keine Lust haben sich durch den englischen Text zu arbeiten, gebe ich hier eine kurze Zusammenfassung:
Die Autoren haben 464.411 einzelne Musiktitel aus den Jahren 1955 - 2010 untersucht. Die Titel gehören den unterschiedlichsten Genres an: "rock, pop, hip hop, metal, or electronic". Analysiert haben sie die Titel auf 3 Variablen: Lautheit ("loudness"), Tonhöhe ("Pitch") und Klangfarbe ("Timbre"). Im Detail bezieht sich Lautheit auf die intrinsische Lautheit eines Tracks; Tonhöhe umfasst den harmonischen Inhalt eines Tracks, d.h. Akkorde, Melodien und das gesamte tonale Arrangement; mit Klangfarbe umschreiben sie die Texturen des Audiosignals, was sich dann konkret auf z.B. Instrumentierung, Aufnahmetechnik und bestimmte "expressive performance resources" bezieht. Letzteres ist mir nicht ganz ersichtlich, aber ich vermute mal, dass die Autoren hier z.B. bestimmte Spiel- oder Gesangstechniken meinen. Die Variablen wurden dann anhand des Tempos eingeteilt und gezählt. Die Grundlage dafür war der Beat des jeweiligen Titels ("temporal resolution of the beat").
So, lange Rede, kurzer Sinn: Die Autoren finden in 55 Jahren Musikgeschichte nur minimale bis keine Veränderungen in Bezug auf Pitch. Die am häufigsten verwendeten Kombinationen von Noten sind 1955 nahezu gleich wie in 2010. Nicht sonderlich überraschend, würde ich meinen. Bei Timbre und Loudness siehst es aber anders aus. Die Variation in der Variable "Timbre" nimmt seit 1965 kontinuierlich ab, was für eine Homogenisierung der Klangfarbe spricht. Also weniger "Experimente" in Bezug auf Instrumentierung, Aufnahmetechniken und den vorhin erwähnten "expressive performance resources". "Loudness" nimmt hingegen kontinuierlich zu, was die Autoren den verbesserten Aufnahmetechniken zuschreiben. Überrascht hier vermutlich auch nur die Wenigsten.
Insgesamt auf jeden Fall interessante Ergebnisse und vor allem kontra-intuitiv, da man ja vermuten würde, dass ein breiterer Zugang zur Musikproduktion und eine größere Vielfalt an technischen Möglichkeiten eher die Variation zwischen den Musiktitel steigern sollte. Stattdessen kommt es aber eher zu einem Konventionalismus oder eben einer Homogenisierung. Es scheint daher so zu sein, dass es eine Art "perfekte Formel" für einen guten Track gibt und die meisten Musiker (ob bewusst oder unbewusst) versuchen, ihre Musik nach dieser "Formel" auszurichten.
Das ist zumindest meine Interpretation der Daten. Würde mich interessieren, was ihr so davon haltet.