Warum ist Tracks lauter machen nicht einfacher?

  • Hi Leute,


    komischer Titel, ja.
    Hab mich heute mit einem Musikerkumpel unterhalten. Wir sind auf das Thema Lautstärke in Tracks gekommen, was für viele (uns eingeschlossen) ja nicht allzu einfach ist. Sprich: Wie kriegt man den Track so laut wie möglich mit schöner Dynamik?
    Sind dann zu einer "Idee" gekommen und das ist hier auch die Frage.


    Wenn man z.B. beim mp3-Player ein Lied lauter macht, wird es ja ohne Qualitätsverlust - nun ja - lauter.
    Wieso kann man bei FL Studio (odeer jeder anderen DAW) nicht einfach so eine Art "Volume"-Regler aufdrehen und das Lied dann laut exportieren?


    Wir haben hier sicherlich einen Denkfehler, aber kann mich mal jemand zu dieser Sache aufklären? Wie kriegen Geräte die Musik lauter, ohne dass es zum Beispiel clippt?


    Grüße:)

  • Zitat


    Wenn man z.B. beim mp3-Player ein Lied lauter macht, wird es ja ohne Qualitätsverlust - nun ja - lauter.
    Wieso kann man bei FL Studio (odeer jeder anderen DAW) nicht einfach so eine Art "Volume"-Regler aufdrehen und das Lied dann laut exportieren?



    Hier liegt definitiv ein Denkfehler vor. In einer Produktionsumgebung wie FL- Studio ist ein Volume Fader nicht mit dem Lautstärkeregler z.B. an deiner Soundkarte, Interface, MP3- Player oder deiner Stereoanlage zu vergleichen. Denn bei einem gewöhnlichen Lautstärkeregler an diversen Abspielgeräten handelt es sich um eine analoge Verstärkung oder Abschwächung des Signals. Und umso stärker die Anlagenleistung ist, umso lauter ist am Ende die Musik.


    FL- Studio arbeitet aber in einer digitalen Produktionsumgebung. Und ein digitales Signal ist gewissen Grenzen unterworfen. Ähnlich wie bei einem digitalen Datenträger, z.B. einer CD oder DVD, passt nur eine bestimmte Menge an Information hinein. Musik ist durch das gängige Ausgangsformat in 16 Bit nach oben hin im Maximalpegel begrenzt.


    Dieser stellt mit 0 dBFS den höchstmöglichen Pegelwert dar. Alle Meter für Musik zeigen daher negative Werte an. Ein Song hat z.B. - 3dB Headroom. Das bedeutet, dass die lauteste Stelle im Song 3 db unterhalb von 0 dBFS bleibt.
    Werden 0 dBFS erreicht, entsteht häufig Clipping, da mehrere 0 dBFS- Signale in Folge falsch vom Analogwandler interpretiert werden können. In einem solchen Fall entstehen sogenannte Overs/Verzerrungen, da oberhalb 0 dBFS einfach kein Wertebereich mehr vorhanden ist.
    Ein richtig eingestellter Limiter kann Over- Clipping vermeiden, indem er dafür sorgt, dass die Pegelspitzen in der Musik vor Erreichen der 0 dBFS sehr stark komprimiert werden.


    Heutzutage ist es Gang und Gäbe, dass digitale Musik schon in der Produktionsumgebung besonders laut sein muss. Der Grund dafür ist, dass sehr laute Musik im Vergleich zu leiserer Musik für unsere Ohren erstmal kräftiger, druckvoller und schöner klingt. Je nach Genre kann man bis zu einem gewissen Grad durch Tricks wie Kompression, Maximizern, ISP- Limitern, Lowcut Filtern usw. auch ein sehr hohes Lautheitslevel erreichen. Allerdings ist das immer mit hörbaren Qualitätsverlusten verbunden, die durch den möglichen höheren Ausgangspegel überspielt werden.


    Besonders laut produzierte Musik ist immer auch besonders stark komprimiert. Und genau das hat zur Folge, dass z.B. Drumsounds und andere perkussive Elemente sowie tiefe Bässe immer durchsetzungsschwächer werden, umso lauter es im digitalen Rahmen wird. Die Musik klingt dann einfach sehr flach, teils emotionsloser, manchmal auch sehr anstrengend und verzerrt durch gewolltes aber auch ungewolltes Clipping.
    Diese Art der Musikproduktion ist erst Ende der 90ziger Jahre in Mode gekommen, und hat die gängige Musikqualität dadurch leider deutlich verschlechtert. Und das, obwohl die Tontechnik heutzutage derer vor Jahrzehnten in allen Belangen haushoch überlegen ist.


    Mein Tipp: Um Musik laut zu bekommen, sollte man besser die Anlage lauter stellen. Aber wenn ihr trotzdem eure Mixe unbedingt digital auf EDM- Niveau aufblasen wollt, kann ich euch das gerne gratis machen. Ihr müsst mich nur anschreiben.
    Übrigens habe ich viele Jahre gebraucht, um die Art meiner Summenbearbeitung so zu optimieren, dass ich nahezu jeden Song auch ohne große Verluste sehr laut bekomme.
    Denn ein gutes und lautes Ergebnis ist doch sehr abhängig von der Art und Weise, wie man etwas mit welchen Kompressoren und Limitern bearbeitet. Und das herauszufinden dauert eine Weile.

  • @ CJoe


    Sehr schön erklärt und wie ich finde sehr gut verständlich.
    Ich glaube aber, dass dem TE damit irgendwie trotzdem noch nicht geholfen ist, da es trotz deines gutem Theorie-Praxis Transfers noch immer sehr theoretisch ist. Was ja bei diesem Thema auch einfach nicht zu vermeiden ist.


    Ich versuche einfach nochmal an einem ganz plakativen/dämlichen Beispiel zu beschreiben wo euer Denkfehler steckt.


    Stell dir vor du baust ein Auto (dein eigener Track). Dein Auto kann maximal 100 km/h fahren. Egal was oder wie du etwas umbaust, es wird niemals schneller als 100 km/h fahren können. Das ist also deine obere Grenze (0 db).
    Wenn du dein Auto nun auf einen ICE verlädst der 300 fährt, dann fährt es ja schneller. Aber nicht aus eigener Kraft sondern weil der ICE so schnell ist. Der ICE ist jetzt sozusagen ne fette fette Stereo Anlage.


    Was ihr jetzt vermischt ist, dass ihr ein Auto mit 300 km/h bauen wollt und da ist der Denkfehler. Ihr schafft maximal die 100 km/h. Für die 300 km/h ist in dem Sinne nicht die Produktion an sich, sondern das Abspielgerät zuständig.


    Ich hoffe dass dieses Beispiel nun nicht zu dämlich ist und dir irgendwie weiterhelfen kann!?!


    Um die 100 km/h in der Produktion zu erreichen kann ich nur empfehlen, dass du dich mit der Signaltheorie beschäftigen und bei x und y-Achse anfängst. So leid es mir tut, aber man muss sich die Theorie einmal komplett geben und verstehen. Das ist wie Mathe. Einmal verstanden, macht auf einmal alles Sinn :)

  • @ Sossenbinder: Leider ist dein Beispiel nicht so toll. Denn Autos kannst du ja schneller machen, wie wir alle wissen.


    Die digitale Musikproduktion hat immer ein bestimmtes, komprimiertes, festgelegtes Ausgangsformat. Das ist wie mit einem Ramspeicher, der feste Eckdaten hat. Oder einer Festplatte, die eine bestimmte Größe hat.
    Dieses Ausgangsformat hat z.B. eine feste Bittiefe (In unserem Fall 16 Bit), und einen Frequenzbereich (44 khz), in welchem die Musik gespeichert wird. Eine größere Bittiefe oder ein höherer Frequenzbereich hätte einen höheren Dynamik/Frequenzumfang, würde aber deutlich mehr Speicher benötigen. Man hat sich einfach auf das 16 Bit- Format als finales Ausgangsformat für Musikproduktionen geeinigt, was zur Folge hat, das wir einen festen Dynamikumfang haben, der begrenzt ist und eingehalten werden muss.
    Die DAW- internen Plugins sind daher darauf ausgelegt, im Rahmen unserer begrenzten digitalen Bittiefe zu arbeiten.


    Natürlich gibt es auch als Ausgangsformat noch andere Auswahlmöglichkeiten. 24 Bit, 32 Bit oder 48 khz, 88 khz, 192 khz usw. Das sind aber Exoten, die in der Tontechnik dann zum Einsatz kommen, wenn z.B. ein entsprechendes Audioformat für Filme gewünscht ist (24 Bit, 48 khz), oder um durch den höheren Dynamikumfang vor der finalen Konvertierung in 16 Bit die bestmögliche Ausgangsqualität zu gewährleisten.


    Eine analoge Verstärkung über eine Stereoanlage, eine Soundkarte oder einen i-Pod hat rein garnichts mit unserer festen Bittiefe und dem festen Dynamikumfang in der digitalen Musikproduktion zu tun. Analoge Geräte sind nur durch ihre Leistung limitiert, d.h. man kann auch ein leise produziertes, digitales Musikstück durch die analoge Verstärkung auf Lautstärken fahren, die jedes Trommelfell platzen lassen.


    Idealerweise wird der Dynamikumfang gut genutzt, ohne den Song extrem mit Limitern zu bearbeiten. Denn so hat eure Musik die bestmögliche Ausgangsqualität. Das ist aber heute leider nicht der Regelfall. Gerade bei elektronischer Musik wird extrem mit Limitern gearbeitet, die einfach brutal euren Mix um die Pegelspitzen beschneiden, um noch 1-3 dB mehr Lautheit auf Kosten der Musikqualität herauszukitzeln.
    Natürlich ist dieser Weg schwer umzusetzen, da wir hier im Grenzbereich unseres digitalen Wertebereichs arbeiten. Nur mit viel Erfahrung im Umgang mit Kompressoren und Limitern schafft man es, mit anderen in Sachen Lautheit und Klangqualität zu konkurrieren. Es ist traurig, das hier eine Form der Loudness- Konkurrenz geschaffen wurde, da man nicht bereit war und ist, zugunsten der Musikqualität auf stark limitierte Mixe zu verzichten.
    Aber es wundert mich auch nicht, da wir in unserer Gesellschaft ja vom Konkurrenzdenken geprägt sind.

  • Wow, vielen Danl für die ausürlichen Antworten. Fand das Autobahn-Beispiel eigentlich gut. Hab jetzt endlich verstanden, wo der Denkfehler liegt.


    Ich muss aber auch zugeben, ich habe noch NIE jemals Kritik gelesen, dass ein Lied zu leise sei. Wenn es nicht gerade unhörbar ist, stört es niemanden. Im Gegensatz zu "zu laut". Also zu komprimiert.
    Schon seltsam, warum der Trend dann zum Lauteren geht. Dabei kann man doch einfach Volume aufdrehen und fertig.

  • Das ist nicht seltsam, sondern dem Umstand geschuldet, das lautere Musik (egal ob durch digitale Plugins oder durch analoge Systeme lauter gemacht) für unsere Ohren immer erst druckvoller und kräftiger klingt.
    Hörst du einen Track, der nur ein halbes Dezibel leiser klingt im Vergleich zu dem lauteren ab, wirkt der minimal leisere Track kraftloser, da unser Gehör mit zunehmender Lautstärke Bässe und Obertöne deutlicher wahrnimmt. Das heißt natürlich keineswegs, dass die lautere Produktion auch die besser produzierte sein muss. Auch schlecht produzierte Musik klingt besonders laut erstmal besser.


    Genau diesem Umstand ist es geschuldet, dass man in den 90ziger Jahren die Aussteuerung der Musikproduktionen immer weiter vorangetrieben hat. Interessanterweise wurde der Trend zu immer schlechterer Musikqualität nicht von den Musikproduzenten gestoppt, sondern in einer Art "Wettrüsten um die lauteste Digitalproduktion" weiter angeheizt. Neue Märkte wurden erschlossen.


    Viele der heutigen Master- Plugins wie Maximizer zielen nur darauf ab, den Mix im digitalen Medium möglichst unverzerrt laut zu kriegen. Natürlich mit deutlichen Einbußen bei der Klangqualität, die der Laie aber erst wahrnimmt, wenn der Mix schon total zerstört ist.
    Agressive, nervtötende Musik, schlappe Tiefbässe, flache, teils matschig wirkende und irgendwie drucklose sowie deutlich mitten- oder höhenbetonte Mixe sind die Folge. Es ist heute sogar schon so, dass die Clubanlagen den fehlenden Tiefbass per EQ wieder anheben müssen, um die Musik wieder druckvoll zu präsentieren. Ein Armutszeugnis. Aber so entwickeln sich eben Trends, wenn man sie laufen lässt, und niemand ernsthaft daran Interesse hat, sie zu stoppen.


    Heute ist es natürlich sehr schwer, diese Sache wieder rückgängig zu machen. Denn heutige EDM- Musik würde etwas leiser natürlich nicht mehr so brutal klingen. Sie hätte aber einen weit besseren Klang, und wäre sehr viel druckvoller mit etwas mehr Dynamik.

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